Es war eine große Geste, dass die Bundeskanzlerin einen Fehler eingestanden, ihn korrigiert und sich in aller Öffentlichkeit dafür entschuldigt hat. Sie übernahm damit die alleinige Verantwortung für eine Entscheidung, an der 16 Ministerpräsidenten ebenfalls beteiligt waren, teilweise aber die gemeinsamen Beschlüsse wenige Stunden, nachdem sie gefasst worden waren, schon wieder medienwirksam kritisierten. Zuvor hatte die unausgegorene Idee der Osterruhe, deren rechtliche und praktische Folgen offenbar nicht hinreichend bedacht worden waren, für Kopfschütteln und Verärgerung gesorgt. Diese Kritik ist in der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Vorabend der Korrektur sehr umfassend und sehr zahlreich kritisiert worden. Die rasche Reaktion der Kanzlerin verdient Respekt.
Die Corona-Gipfel aus Ministerpräsidenten und Kanzlerin leiden aber insgesamt an einem Akzeptanzverlust. Nächtliche Ad hoc-Beschlüsse, teilweise ohne wissenschaftliche Evidenz und abgekoppelt von der Stimmungslage der Bevölkerung, befördern den Vertrauensverlust in Politik und Staat insgesamt. Auch ich als Bundestagsabgeordneter werde dafür von den Bürgern in Haftung genommen. Niemand von uns bestreitet die Gefahr des Virus und der Mutationen und ich weiß auch, dass es keine einfache Patentlösung gibt. Doch in der Analyse benötigen wir eine stärkere Fokussierung auf strategisches Handeln und eine Weitwinkelbetrachtung, die soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte stärker berücksichtigt. Ich plädiere deshalb dafür, dass wir vom Notfall- in den Regelmodus wechseln und die Parlamente in Bund und Ländern jetzt das Ruder in die Hand nehmen. Die bewährten parlamentarischen Verfahren in unserem föderalen Gefüge sollten dafür genutzt werden. Damit würden Länder und Kommunen auch stärker in die Pflicht genommen, ihren verfassungsmäßigen Aufgaben engagierter nachzukommen und bei Defiziten nicht länger auf den Bund zu zeigen.
Notwendig ist außerdem ein Wechsel weg von einer inzidenzfixierten Betrachtung hin zu einer risikoorientierten Strategie mit Öffnungen in Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, Kultur und Freizeiteinrichtungen für diejenigen, die einen tagesaktuellen Schnell- oder Selbsttest oder eine Impfung nachweisen können. Genauso verfahren wir aktuell ja auch mit den Schulen. Eine breitflächige Teststrategie entfaltet nur dann ihre volle Wirkung, wenn das Testen auch mit Anreizen und Vorzügen für die Menschen verbunden ist. Damit könnten Infektionen verstärkt erkannt und Infektionsketten frühzeitiger unterbrochen werden. Insofern eine Win-win-Situation für Infektionsschutz, Bürger und Wirtschaft. Diesen Vorschlag habe ich bereits in der letzten Woche gemacht und ich bin sehr erfreut darüber, dass der saarländische Ministerpräsident genau diese Strategie nun verfolgt. Er hat den Ausstieg aus dem harten Lockdown nach Ostern verkündet und plant Öffnungen für Menschen mit tagesaktuellem Negativtest vorzunehmen.
Gesundheitsschutz und risikominimierte Öffnungen sind kein Gegensatz. Ich zähle mich zum Team Innovation und bin überzeugt, dass es klügere Lösungen als den Dauer-Lockdown gibt, der allein auf dem Rücken von vier, fünf Branchen ausgetragen wird, die nach allen Erkenntnissen keine Infektionstreiber sind. Es ist besser auf Anreize zu setzen, sich impfen zu lassen und sich ggf. auch auf eigene Kosten zu testen, wenn damit die Wiedergewinnung von Freiheitsrechten verbunden wäre.