Nicht zum ersten Mal bin ich vom Agieren unseres Koalitionspartners verwundert.

Dass wir uns als Union im Koalitionsvertrag auf eine Grundrente eingelassen haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn die Grundrente ist eine Abweichung vom gültigen Äquivalenzprinzip, wonach sich die Rentenhöhe nach der Höhe und Dauer der Beitragszahlungen richtet. Für diesen begrenzten Eingriff gibt es aber gute Gründe, die ich als Befürworter des Leistungsprinzips uneingeschränkt teile. Wer viele Jahrzehnte gearbeitet  und Beiträge geleistet hat, muss am Ende des Erwerbslebens finanziell besser dastehen als jemand, der nie gearbeitet hat. Vor diesem Hintergrund haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart:

“Wir honorieren Lebensleistung und bekämpfen Altersarmut: Einführung einer Grundrente 10 Prozent über der Grundsicherung für alle, die ein Leben lang gearbeitet haben, unter Einbeziehung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten.”

Zur Ausgestaltung heißt es:

“Die Grundrente gilt für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der „Grundrente“ ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung.”

Es ist nicht zu viel vom Koalitionspartner erwartet, wenn er sich an Vereinbarungen halten soll. Dies hat die Union umgekehrt bei der Abschaffung des Soli auch akzeptiert. Die Bedürftigkeitsprüfung ist unmissverständlich im Koalitionsvertrag mit der SPD geregelt. Es wäre eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn die Kassiererin  bei ALDI künftig für die Rentenaufstockung des vermietenden Immobilienbesitzers mit ihren Steuern aufkommen müsste. Auch viele Arbeitnehmer haben deshalb kein Verständnis dafür, wenn Menschen Geld bekommen sollen, die die Unterstützung  gar nicht benötigen. Deshalb kann die Union einer Besserstellung nur nach einer echten Bedürftigkeitsprüfung zustimmen.

Anderenfalls würden nicht nur die Kosten exorbitant steigen, vielmehr würden Fehlanreize zum Beispiel in Richtung Frühverrentung gesetzt, die Beiträge verschiedener Gruppen würden für die Rente unterschiedlich bewertet.

Einen Gesetzentwurf vorzulegen, der keine Bedürftigkeitsprüfung enthält und damit die Koalitionsvereinbarung verletzt und dies anschließend auch noch zur Koalitionsfrage zu stilisieren, ist ein echter Koalitionsaffront. Es ist nicht die Aufgabe der Union, die innerparteilichen Führungsfragen der SPD zu lösen.

Die Bedürftigkeitsprüfung hat gute Gründe. Der Nachweis der Bedürftigkeit gilt im Übrigen bei jeder Sozialstaatsleistung, damit staatliche Leistungen nicht denen zugutekommen, die sie nicht brauchen. Dafür muss man nicht den Millionenerben anführen, sondern den vermögenden oder gut verrenteten Partner, den Besitzer von vermieteten Immobilien oder Wertpapieren, der daraus ein erhebliches Einkommen bestreitet und der nach Wünschen der SPD zukünftig Grundrente erhalten sollte.

Ich trete ein für eine echte Bedürftigkeitsprüfung, die sämtliche Einkünfte berücksichtigt ebenso wie Einkommen des Partners. Und im Gegenzug sollte es Freibeträge beim Vermögen geben und selbstgenutzter Immobilienbesitz nicht angerechnet werden. Eine solche Lösung mit echter Bedürftigkeitsprüfung wäre finanziell tragbar, würde den wirklich Bedürftigen helfen und wäre ein Erfolg für gesamte Koalition. Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Sinne alsbald zu einer Lösung kommen.