Die Kieler Woche ist offensichtlich nicht nur Besuchermagnet für Marine-Fans und Schaulustige. Auch die russische Marine und andere Schiffe unter russischer Flagge waren in letzter Zeit häufig in Nord- und Ostsee zu beobachten. Nordwestlich von Fehmarn, praktisch vor der Haustür, hatte bereits am Morgen des 20. Juni 2024 eines der kapazitätsstärksten Aufklärungsschiffe der russischen Marine Position bezogen. Ihr wahrscheinlicher Auftrag: Beschattung der Teilnehmer des Großmanövers BALTOPS, die sich in der Kieler Bucht sammelten und sich für das Einlaufen in den Kieler Marinestützpunkt am Freitag vorbereiteten. Die „Vasiliy Tatishchev“ um die es sich hierbei handelt, ist spezialisiert in der Signalerfassung. Sie ist in der Lage, Funkfrequenzen zu erfassen und aufzuzeichnen. Dazu gehören nicht nur normaler Verkehr zwischen Seefunkstellen, sondern auch Mobilfunk. Erst mit dem Auslaufen der NATO-Einheiten aus Kiel verließ die „Vasiliy Tatishchev“ am späten Abend des 24. Juni ihre Position ostwärts. So schrieb es das Onlineportal „Europäische Sicherheit und Technik“ am 26. Juni 2024 (https://esut.de/2024/06/meldungen/51021/bemerkenswerte-russische-schiffsbewegungen-vor-der-haustuer/)
Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee, die Angriffe auf die estnisch-finnische Gaspipeline Balticconnector und zwei Telekommunikationskabel Anfang Oktober letzten Jahres haben gezeigt, dass gerade Seegebiete und die dortigen Versorgungsstrukturen nicht nur abstrakt Ziele von hybrider Kriegführung bzw. von Saboteuren oder Terroristen sind, sondern dass solche Anschläge konkret geplant und ausgeführt werden und jederzeit möglich sind. Gleichzeitig entwickeln die deutschen Seegebiete sich mehr und mehr zu einem Wirtschaftsraum, in dem neue wertvolle Infrastruktur aufgebaut wird, insbesondere im Bereich der Energiegewinnung durch Offshore-Windkraftanlagen auf hoher See, aber auch durch LNG-Terminals in Seehäfen. Diese kritische Infrastruktur ist ein attraktives Ziel für Sabotageakten mit weitreichenden Folgen. Die zu überwachenden Seegebiete sind groß, der Ausbau der Infrastruktur erhöht naturgemäß auch die Anfälligkeit für Sabotageakte und Anschläge. Deshalb gilt es, die maritimen Kompetenzen des Bundes legislativ zu bündeln und die Befugnisse der Bundespolizei zu stärken. Die Rechtslage muss an die veränderten Erfordernisse der aktuellen Bedrohungslage angepasst werden, um eine effiziente Gefahrenabwehr rechtssicher zu gestalten.
In dieser Woche fand auf Antrag meiner Fraktion eine öffentliche Anhörung zum Antrag „Die Zeitenwende auch auf See umsetzen – Befugnisse der Bundespolizei erweitern und der Bedrohungslage anpassen“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion statt. Die große Mehrheit der Experten sprach sich dabei für ein Seesicherheitsgesetz aus betonten die Notwendigkeit einer klaren gesetzlichen Regelung für die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). Das Hauptproblem liegt in dem Wirrwarr zahlreicher gesetzlicher Grundlagen und behördlicher Zuständigkeiten. Das Seeaufgabengesetz, Seeanlagengesetz, Seeanlagenverordnung, das Bundesberggesetz, das Geologiedatengesetz, Raumordnungsgesetz, das BPOLG, das Völkerrecht sowie demnächst das KRITIS-DachG sind maßgebliche deutsche Rechtsvorschriften, die innerhalb der AWZ anwendbar sind. In allen ist eine klare Definition und Handlungszuweisung im Falle eines Angriffs nicht zu finden. Hinzu kommen unterschiedliche Zuständigkeiten der Behörden in Bund und Küstenländern. Mit dem Maritimen Sicherheitszentrum in Cuxhaven sind zwar alle Sicherheitsbehörden unter einem Dach vereinigt, eine gemeinsame Aufgabengestaltung lässt sich daraus aber nicht erwirken. Auch gibt es keine Weisungskompetenzen einzelner Behörden.
Dass es hier einer echten Reform, hin zu einem Seesicherheitsgesetz bedarf, hat Prof. Dr. Proelß, Lehrstuhl für Internationales Seerecht und Umweltrecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht der Uni-Hamburg und Flottillenadmiral Christian Meyer von der Marine rechtlich sowie an praktischen Beispielen aufgezeigt. Mit Prof. Christian Bueger, Department of Political Science, der Universität Kopenhagen konnten wir die Bedeutung kritischer Infrastruktur auf See für die Europäische Union betrachten. Es wurde deutlich, dass im derzeit vorliegenden Entwurf des KRITIS-DachG der Bundesregierung die Seesicherheit in der AWZ nur unzulänglich berücksichtigt wird und dass andere europäische Länder ihre Seegebiete bereits umfangreich schützen. Deutschland ist an dieser Stelle Schlusslicht und gibt dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen das jetzt ändern und werden auf ein Seesicherheitsgesetz, nach Vorbild des Luftsicherheitsgesetzes drängen. Die ganze Anhörung finden Sie hier https://www.bundestag.de/ausschuesse/a04_inneres/anhoerungen/1009796-1009796